2019 war turbulent, aufregend und anstrengend – mit relativ wenig Zeit zum Lesen, leider. Trotzdem habe ich auch in diesem Jahr wieder tolle Bücher für mich entdeckt und vor allem gegen Jahresende nochmal das ein oder andere Buch weg-inhaliert. Einige habe ich sehr geliebt, andere haben mich leider enttäuscht. Heute stelle ich euch im Rahmen der BuchSe(a)iten-Blogparade einige meiner Lieblings-Bücher 2019 vor.
Welches war das Buch in diesem Jahr, von dem ich mir wenig versprochen habe, das mich dann aber positiv überrascht hat?
Elizabeth Kostovas „Das dunkle Land“ war ein klassischer Spontankauf unter dem Motto „The cover made me buy it“. Pinke Leinenbindung trifft auf ein mattschwarzes Cover mit geprägtem Titel und glänzenden Blütenranken. Die Autorin war mir kein Begriff. Auch der Klappentext war wenig aussagekräftig. Trotz allem hab ich hier einfach zugegriffen – und bin begeistert. Genauso geheimnisvoll, wie sich Cover und Kurzbeschreibung präsentieren, möchte auch ich bleiben.
Alexandra Boyd kommt eigentlich nach Sofia, um dort Englisch zu unterrichten. Doch dann gelangt sie durch Zufall in den Besitz eines Holzkästchens mit der Asche eines Verstorbenen. Damit beginnt eine abenteuerliche Suche nach der Familie des Toten, die Alexandra immer tiefer hineinführt in das wilde, ihr fremde Land und immer weiter hinab in dessen Geschichte. Nach und nach enthüllt sich auf den Stationen ihrer Reise das Schicksal des Verstorbenen, Stoyan Lazarov – eines begnadeten Musikers, dessen Leben von den Katastrophen des 20. Jahrhunderts und von einer großen Liebe bestimmt war.
Was beginnt wie eine spannende Roadtrip-Geschichte einer Amerikanerin mit einem bulgarischen Taxifahrer quer durch seine Heimat, endet im krassen Gegensatz zum märchenhaft-verspielten Cover in der Realität. Denn in der bulgarischen Geschichte und Vergangenheit gibt es einiges, das noch aufgearbeitet werden muss und im Rest Europas kaum im Fokus steht.
Ein unheimlich intensives Buch, dass ich mehrfach verliehen habe und mit ebenso begeisterten Stimmen wie meiner wieder zurückbekam. Absolute Lese-Empfehlung!
Welches war das Buch in diesem Jahr, von dem ich mir viel versprochen habe, das mich dann aber negativ überrascht hat?
Ich LIEBE die jüngeren Romane von Juli Zeh. Ich liebe ihren Schreibstil, ich liebe die Themen, die sie aufgreift, und ich liebe es, wie sie sie aufgreift. Ob es um Landflucht geht wie in „Unter Leuten“ oder um durchkapitalisierte Selbstmordmissionen wie in „Leere Herzen“. Mit ihrer Schreibe konnte sie mich jedes Mal fesselnd und entsprechend gespannt erwartete ich den diesjährigen Wurf „Neujahr“.
Doch leider ließ mich die Lektüre um Protagonist Henning, der radfahrenderweise auf Lanzarote seine Kindheit aufarbeitet, skeptisch zurück. Die Geschichte überzeugte mich nicht, auch die Charaktere blieben zeh-untypisch farblos und unsympathisch. Schade!
Welches war eure persönliche Autoren-Neuentdeckung in diesem Jahr und warum?
Zugegeben, ich war ein bisschen spät dran damit, die bereits 2015 erschienene „Geschichte der Bienen“ zu entdecken – und zu verschlingen. Es handelt sich um das erste Buch des literarischen Klima-Quartetts der norwegischen Schriftstellerin Maja Lunde.
Zeitversetzt nimmt uns die Autorin über drei Generationen hinweg zunächst mit zu den Bienen: ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀
wir begleiten 1852 den englischen Biologen und Samenhändler William bei der Entwicklung eines völlig neuartigen Bienenstocks. 2007 erleben wir mit, die der Imker George aus Ohio hart um seinen Lebensunterhalt kämpft, bis schließlich das undenkbare passiert: die Bienen verschwinden. Im China der Zukunft in 2098 zeigen sich schließlich die drastischen Auswirkungen einer Gesellschaft, die hungert und mit unserer nicht mehr viel gemein hat: um zu überleben, müssen dort bereits Kinder ab 7, 8 Jahren mitarbeiten – und bestäubern unter anderen ganze Baum-Plantagen mit Pinseln, jede Blüte einzeln, jeden Tag.⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀
Im zweiten Teil des Quartetts steht das Wasser, besser gesagt dessen Knappheit, im Mittelpunkt. Auch hier arbeitet Maja Lunde mit zwei Erzählsträngen. 2017 (im Erscheinungsjahr des Buches) begeben wir uns mit der fast 70-jährigen Umweltaktivistin Signe auf eine riskante Segel-Reise von Norwegen nach Frankreich. An Bord hat sie eine Fracht, die das Schicksal des blauen Planeten verändern kann… Dann springen wir ins Frankreich im Jahr 2041, wo eine große Dürre die Menschen Südeuropas auf den entgegengesetzten Weg zwingt: zur Flucht in den Norden, in Länder, in denen es noch Wasser gibt, wo keine 40 Grad herrschen.
Es gab wohl kaum einen passenderen Zeitpunkt als den letzten Sommer mit seinen 34, 35 Grad, um dieses Buch zu lesen und ernstzunehmen…
Mit Spannung habe ich daher den dritten Teil erwartet, der 2019 das Artensterben thematisiert. „Die Letzten ihrer Art“ stützen sich zum Teil auf eine wahre Geschichte, nämlich die der Wildpferdjagd Ende der 1800er. Im Zentrum steht eine Pferderasse, die damals vom Aussterben bedroht war, bevor ihre Art 1992 wieder neu gezüchtet und in der Mongolei niedergelassen wurde.
Literarisch konnte mich der Roman leider nicht ganz so stark fesseln wie seine beiden Vorgänger. Insbesondere die Passagen, die im 18. Jahrhundert spielen, gestalteten sich schwerer zugänglich und verhinderten eine Identifikation mit den Hauptcharakteren wie in den ersten beiden Teilen. Der dsytopische Teil ist gewohnt erschreckend realistisch gehalten:
Die Buchreihe passt gut in die aktuelle Diskussion um Klima und Klimapolitik und eignet sich auch gut als Geschenk für Personen, die sich mit dem Thema sonst eher ungern befassen. Durch die verschiedenen Erzählstränge und Sichtweisen auf die Thematik lassen sie sich leichter lesen als ein Sachbuch, vermitteln aber gleichzeitig die Dringlichkeit, Handeln zu müssen, und regen zu weiterer Recherche an.
Maja Lunde: Durch meine Bücher kann ich über die größten und wichtigsten Themen sprechen. Ich darf eine Stimme in der Klimadebatte haben.
Eine aufrüttelnde Romanreihe, trotz dem schwieriger zugänglichen dritten Band ein Must-Read der heutigen Tage. Letztendlich aber eine Dystopie, die von unserer Realität nicht mehr weit entfernt scheint.
Welches war euer Lieblings-Cover in diesem Jahr und warum?
Eine Kategorie, die sich gar nicht so leicht beantworten lässt. Ich liebe schöne Bücher und erwische mich auch immer öfter dabei, ins Hardcover zu investieren, wenn die Ausstattung besonders stilvoll ist und ich weiß, dass ich das Buch mögen werde. Das augenfälligste Cover in diesem Jahr ist aber zweifellos „Circe“ von Madeline Miller.
Drin ist, was drauf ist: ein griechischer Götter-Epos. Neu ist, dass die Sagen und Mythen aus der Sicht einer Frau, einer Tochter des Sonnengottes Helios, geschrieben ist. Das gab es bisher noch nicht und und der Autorin gelang hier ein großartiger Wurf. Circe fällt durch ihr freies Denken und daraus resultierendes aneckendes Verhalten aus der Riege der Göttlichen. Sie rebelliert, taktiert und entdeckt irgendwann, dass sie statt Schönheit und Anmut eine weitaus mächtigere Gabe besitzt: sie kann zaubern. Das passt ihrer Familie gar nicht und nach einem Fehltritt wird sie auf die Insel Aiaia verbannt. Hier entwickelt sie ihre Kräfte weiter und wird im Laufe der Geschichte einige Schicksale maßgeblich mitbestimmen, beispielsweise das des Odysseus.
So weit kennt der interessierte Griechenland-Reisende oder Geschichtsfan die Geschichte bereits. Millers Herangehensweise, alles aus Circes Sicht zu schreiben, revolutioniert den klassischem Epos allerdings maßgeblich. Auch ohne sich auf aktuelle politische Diskissionen zu beziehen, stößt sie den Diskurs um Frauenrechte und -missbrauch gewaltig an. So zumindest habe ich es empfunden. Man kann den Roman aber auch leicht zugängliche, klassische Abenteuerlektüre verschlingen und frischt ganz nebenbei sein Wissen um die griechischen Heldensagen auf.
Welches Buch wollt ihr unbedingt 2020 lesen und warum?
Hier kann ich mich wirklich unmöglich auf ein Buch festlegen. Mein SUB wächst derzeit wöchentlich rapide an und es ist kein Ende in Sicht. Der Jobwechsel in die Verlagsbranche machte und macht sich hier wirklich unmittelbar bemerkbar 😀
Worauf ich mich aber ganz besonders freue: das neue Buch von Kathrin Wessling. Es erscheint Ende Januar und trägt den Titel „Nix passiert“.
Das Abbild einer Generation auf der Suche nach allem und nichts, nach Heimat zwischen Provinz und Großstadt, vor allem aber nach sich selbst.
Kathrin Wessling habe ich vor etlichen Jahren entdeckt. Sie führte einen kleinen, sehr privaten Blog in Tagebuchform über das Leben mit Depressionen. Ungeschönt, direkt, brutal – damals, als sich noch niemand wirklich über das Thema sprechen traute. Drüberleben hieß der, und erschien irgendwann auch in Buchform. Es folgten zwei weitere Romane direkt aus dem Alltag, zum Sich-Drin-Wiederfinden, zum In-Einer-Nacht-Verschlingen. Inzwischen sind psychische Probleme und mentale Gesundheit stärker in die Mitte der Gesellschaft gerückt. Das haben vor allem mutige Autoren und Autorinnen wie Kathrin geschafft. Egal, ob man selbst betroffen ist oder nicht: die Lektüre solcher Bücher klärt auf und schafft Verständnis. Und in diesem Fall bisher immer auf eine sehr kurzweilige Art und Weise. Ich freu mich drauf!
Abgesehen davon stehen auch einige Sachbuch-Titel auf meiner Liste: ob Themen rund um den Klimawandel oder unseren Umgang mit digitalen Medien. Und was liegt 2020 auf euren Nachtkästchen?